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Helmut Ecklkofer 1 PUNKT

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START

Seit langer Zeit hört er seine innere Stimme. Das Band im Kassettenrekorder ist auf Anfang gespult. Nun drückt Milan die Starttaste. M. verlässt das Haus schon lange nicht mehr. Das Versprechen vom admiralblauen Himmel liegt lange zurück. Der Tanz ins Licht. Die Welt da draußen ist eine einzige Show. Überbelichtet, das Negativ vom Positiv. Eine skurrile Welt, voll von scheinbarem Gold und kitschigem Plüsch. M. hat allmählich seinen Rhythmus gefunden, nicht zu schnell und nicht zu langsam.

Er balanciert auf dem Schwebebalken in eine neue Zukunft. Er versucht, allen Ballast abzuwerfen. Jeder Tag wird fein säuberlich eingeteilt in 24 gleiche Teile. Der Zeitraster nimmt seine Gedanken, seine Seele, seine Erinnerungen, seine Phantasie, seine Sehnsüchte, seine Freiheit auf. Zeitlos begrüßt er den Morgen, den Tag und die Nacht. Er schwimmt in einem Meer von Zeit – er taucht ab in die UHRzeit – er verschwendet seine LEBENSzeit – er erlebt die EISzeit, die FREIzeit. Er gerät in ein Labyrinth, das für ihn undurchsichtig, ja undurchdringbar ist.

Wie kam ich jetzt darauf? Ach ja, Lotterie des Lebens. M. ist überrascht von seiner irrwitzigen Comedy-Show. Er fühlt sich wie in einem Horror-Zirkus inmitten wilder Bestien. Zwischen Sex und Lametta, Freiheit und Abgrund. Er ahnt nur die Bilder von der Vergänglichkeit. In homöopathischen Dosen werden ihm die Worte verabreicht.

KALT FÜHLT SICH ALLES AN

M. riecht den Duft des Regens. Die Regentropfen prallen auf die feuchte Erde und katapultieren die Moleküle in seine Nase. Die Tropfen zerstäuben schlagartig und bilden kleine Wasserwolken. Nun steht er da, als stiller Held mit Herzkammerflimmern. Was für ein Genuss es doch war, beschützt zu sein. Beschützt in sich selbst. In seiner Liebe, in seiner Euphorie. M. wähnte in jedem Tropfen eine Gefahr. Der Regen hat alles um ihn verwandelt. Kalt fühlt sich alles an. Er spürt jeden Tropfen auf seiner Haut, wie tausende kleiner Explosionen. Die Erde bebt im Sekundentakt. Wie im Phantomschmerz liegt er da, beklemmend still, verletzlich. Stimmen und immer wieder Stimmen. Er hat ein Blind Date mit seinem Leben. Einem Leben, dessen Verlauf einer geraden Linie glich, ohne viel Höhen oder Tiefen. Ein Leben, das allmählich zu verglühen drohte wie ein Kaminfeuer ohne den entsprechenden Sauerstoff. Er hat sich selbst verloren in seiner kleinen perfekten Welt. Solide, gesichert, das eigene Ich umkreisend, in einer unendlichen Umlaufbahn. Wie der Mond um die Erde zieht er seine Kreise, wirkt anziehend und abstoßend. Er fühlt den schwerelosen Raum, die Atemlosigkeit und die Angst, dass das Raumschiff Schicksal seine Träume, seine Vollkommenheit durchtrennt. Zufällig, ja manchmal willkürlich wirkte die Szenerie. War er an der Schwelle zu einer neuen Zeit angekommen, deren Ende er nicht kannte?

GOLD

SEIN INSTIKT IST GESCHÄRFT

Das blütenweiße Hemd sitzt wie maßgeschneidert. Ecos ebenmäßiges Gesicht wirkt nachdenklich. Auf seinem Weg ins Büro ziehen einige Szenarien mit 36 Bildern pro Sekunde vorbei. Im Büro angekommen, sieht er aus dem Fenster mit dem gigantischen Panoramablick. Die Stadt liegt vor ihm, mit all den Glasfronten, die das Licht wie ein Prisma brechen. Regenbogenfarben reflektieren zwischen den Gebäuden und verbinden die Solitäre wie durch ein magisches Band. Die Silhouetten überlagern sich in alabastergrauen Schattenflächen. Der granitgraue Himmel lenkt seine Aufmerksamkeit auf ganz neue Dinge. Sein Instinkt ist geschärft. Wie ein Hellseher nimmt er die imaginäre Glaskugel und blickt damit in die Zukunft. Er hatte bisher immer alles goldrichtig vorausgesagt und vorhergesehen. Immer war sein Kompass auf Süden gerichtet. Seine Konzentration wird durch das Lied aus dem Radio kurz gestört. „Don‘t be so shy“, klingt es ihm entgegen. Er denkt einen kurzen Moment an Jennifer. Sie ist schön. Ganz sie selbst in seinen Gedanken. Er küsst ihre feuchten Lippen, streichelt ihre samtweiche Haut, er versinkt in ihr. Sie hebt leicht ihre muskulösen Arme und ihre Brüste ragen wie kleine Bergspitzen über ihr Dekolleté. Sein Handy meldet sich und er wird abrupt aus seinen Träumen gerissen. War nun der Tipp goldrichtig? Er checkt seine Mails und aktualisiert die Aktienberichte. Die Börse ist auf Talfahrt. Ging es doch lange immer nur bergauf. Man steigt an der Talstation nur in den Lift. Schon geht es bergauf ohne Mühe. Ecos Blick folgt dem Tragseil, das sich von Mast zu Mast spannt. Er gleitet mit dem Sessellift bequem über die Schluchten und die Schneisen, die sich wie Schlangen durch die Bäume schlängeln. Bunte Punkte wie in seinen unzähligen Diagrammen schwingen auf den schmalen weißen Bändern ins Tal. Im Zickzack bewältigen sie die kobaltblauen, die blutroten und pechschwarzen Pisten. Plötzlich ziehen Wolken auf und der Nebel wird dichter. Leere Sessel tauchen plötzlich aus dem Nichts auf. Endlich haben sie die Bergstation erreicht. Einzelne Schneeflocken tanzen gemütlich im ¾-Takt durch die kalte Luft. Ein letzter Blick auf das Profil des Hanges und dann stößt er sich kräftig mit seinen Stöcken ab und der Nebel verschlingt ihn.

Es ist, als ob ihm die Zeit durch die Finger gleitet. Jemand ruft laut seinen Namen. Sein Herz rast und zwischen den Herzschlägen schiebt sich in jeder Millisekunde eine Pause. Er war immer so ruhig und gelassen. Jetzt fühlte er sich urplötzlich so einsam und das trotz seines 100-köpfigen Expertenteams. Er ist der moderne Goldgräber in neuer Verpackung. Kaufen oder verkaufen? Das Aktienbarometer steigt nicht mehr. Die Stimmung ist frostig. Seine Mitarbeiter wirken wie Marionetten ohne eigenes Leben. Ihn umgibt eine sonderbare Stille. Augenblicke hüpfen vorbei wie Skispringer. Er möchte so gerne die Pausetaste drücken. Die Zeit anhalten. Aber dann würde die ganze Erde stillstehen.

LIGHT

SIE FÜHLT SICH WIE ROBINSON

TÖNE GLEITEN DURCH DIE NACHT

Isabella hat es sich geschworen. Dieses Jahr nimmt sie sich endlich die Zeit, Zeit für Gefühle. Sie ist schon im Sommerfeeling. In ihren Träumen sieht sie einen feinsandigen, zimtbraunen Strand, irgendwo auf einer Insel, vielleicht auf Mallorca, Menorca, Zypern, Sardinien. Das ganze Jahr Bikini-Wetter, der Puderzuckerstrand ist makellos. In den Lagunen glitzert türkisblaues Wasser, die Palmenblätter flüstern im Wind. Der Rest der Welt mit all seinen Sorgen ist weit, weit weg. Hinter dem Horizont. Deshalb ist eine Insel der ideale Ort, um zu lernen, im Moment zu leben, dachte sie sich. Das wichtigste Element immer vor Augen: das Wasser. Vergessen hat sie das WOHER oder das WOHIN. Sie steht auf, wenn die Sonnenstrahlen durch die Jalousien fallen und sie wachkitzeln. Sie fühlt sich wie Robinson. Frühstücken, was gestern noch an den Bäumen hing. Mangos, Ananas, Papayas. Sie spürt die Wärme der glutroten Sonne auf ihrer kaokaofarbenen Haut. Sie liest in den Wolken und entdeckt Schwärme tropischer Fische und gigantische Korallenriffe. Am Abend schlendert sie ziellos durch Palmenhaine und dörfliche Straßen. Ab und an streift ein feiner Duft die Nase, denn auf den erhitzten Steinen gart das Essen, das mit Palmblättern bedeckt ist. Sie entdeckt Süßkartoffeln, fangfrische Krustentiere und Fisch. Die Natur hält alles bereit. Sie schaut aufs Meer und in den Himmel. Die wahren Wünsche aus ihrem Innersten kommen an die Oberfläche und mit ihnen die Energie. Auf ihrem Gesicht erscheint ein Lächeln. Keine Uhr, kein Smartphone, kein Terminkalender – nur die Einfachheit des Seins. Und das Vertrauen in die Natur und in den Lauf der Dinge. Sie lehnt sich zurück und ist einfach glücklich. Farben mischen sich immer neu und schöne Körper vergnügen sich. Wind und Wellen sind wie Samt und Seide und kleine Schallwellen stranden. Isabellas Herzklopfen schallt ins Universum. Ein kurzer Blick – ein Lächeln – und dann auf gleicher Wellenlänge. Ihre Sinne applaudieren beim Meerblick ins Paradies. Am nächsten Abend entsteht knisternde Spannung. Vor ihr schweben Traumtänzer durch die tintenschwarze Nacht. Die Gischt glitzert wie tausend Diamanten und das Lachen flirrt durch die klare Luft. Tausende und abertausende Töne gleiten durch die Nacht. Hände zeichnen Worte in die Luft und um sie nur fröhliche Gesichter. Plötzlich Stille: Robinson lebt!

BEAUTY

Julians Blick umkreiste sie wie ein Satellit den Planeten in einer ihm vorgegebenen Umlaufbahn. Mit einem engen schneeweißen Seidenkleid war sie gekleidet. Ihre schmale Taille konnte man durch den fragilen Stoff erahnen. Ihr blondes Haar bedeckte ihre schmalen Schultern. Wie eine vollkommen gebildete Statue stand sie da. All die Proportionen waren dem Meister perfekt gelungen. Sie war der lebende GOLDENE SCHNITT. Grazil ihre Bewegungen, fein ihr Lächeln, unbeschreiblich ihre strahlenden Augen. Sie schien ihn nicht zu bemerken. Dessen ungeahnt, begann Julian ihr in Gedanken Geschichten zu erzählen. Das Licht schimmerte durch den dünnen Stoff und ähnlich einem Wasserzeichen, die filigranen Muskeln freigebend. Wie ein Orchester im Gleichklang passte scheinbar alles, fügte sich alles zu einem makellosen Ganzen zusammen. Sie ist vollkommen auf ihre Weise. Selbst ihr Schatten verfügt über die gewisse Grazie. Ein Schwalben-Ballett flog Kunststücke in den Himmel, an dem eine einzige weiße Wolke dahinirrte, und Julian schenkte den Künstlern der Lüfte kurz seine Aufmerksamkeit. Heute würde es vielleicht geschehen. Er blickte in ihre azurblauen Augen und vergaß dabei die Zeit und den Raum um sich. Er wünschte sich ein Fest im Park. In den Zweigen der Bäume hingen Lampions und an den Kieswegen tanzten die Flammen der Fackeln. Eine kleine Combo spielte seine Lieblingslieder. Julian betrachtete in seinem Traum von weitem die scheren-schnittartigen Kellner, die den Gästen bunte Cocktails reichten. Spärliche kleine Lichter legten funkelnde Bänder auf die glatte Wasseroberfläche des Sees. Völlig synchron waren ihre Bewegungen. Ihr strahlendes Lächeln war so natürlich, ihre Lippen so vollkommen. Wie feinstes chinesisches Porzellan war ihre Haut, so glatt und fein. Seine Augen verloren sich in ihrer anmutigen Gestalt. Ihre grazile Erscheinung fesselten ihn von Anfang an. Sie bewegten sich auf den beleuchteten See zu wie zwei Models. Ein Traum aus tausend und einer Nacht. Sie versprüht förmlich ihr Charisma. Menschen um sie herum tanzen zum Takt der Musik, schaukeln hin und her, wie kleine Boote auf dem Wasser. Julian reiste mit seinem Blick an ihrer Silhouette entlang. Er befand sich auf einer Weltreise. In Augenblicken durchreiste er Wüsten, Meere, Inseln, neue Kontinente. Er atmete die exotischen Gerüche ein. Pfefferminz mischt sich mit Safran. Rosenöl und Zedernholz. Er hört das rhythmische Klatschen, die Töne der Trommeln. Sie schwebt vor seinen Augen. Mit ihren langen braungebrannten Beinen tänzelte sie im Takt der Musik. Er war fasziniert von ihrer Schönheit in jeder Sekunde. Er stand neben ihr und plötzlich kommt sie näher und näher. Mit jedem Schritt zeigt sich ihre wahre Schönheit. Dann steht sie vor ihm. Das Gewitter hat sich verzogen. Die Luft ist klar und riecht frisch. Julian blickt in ihre Augen. Er umarmt sie vorsichtig. Er berührt sie und fühlt die weiche Haut, wie zerbrechliches Porzellan. Sie erwidert seine Berührungen und lächelt. Ihre strahlend weißen Zähne blitzen im Sonnenlicht. Für den Bruchteil einer Sekunde spürt er ihre Energie, ihre Freude. Er küsst sie auf ihre sinnlichen Lippen, vorsichtig spürt er die zarte Haut. Er ist fasziniert von ihrem Charme. Wie ein überdimensionales Weltraumteleskop spürt er ihre feinen Botschaften. Sein Lebensfluss scheint für einen kurzen Moment zu stehen. Wie ein Equilibrist versucht er, die Balance zu halten zwischen ihm und ihr. Das dünne Seil entlangzugehen, ohne abzustürzen. Wann wird er sie wiedersehen? Wann wird er sie wieder spüren? Wann…

ABSOLUT(ION)

DIE STERNE VERBLASSEN LANGSAM

Kim sieht aus dem Fenster. Der Festplatz am Ende der Straße leert sich langsam. Nur vereinzelte Musikfetzen dringen durch das Glas in den Raum. Sie trägt ein figurbetontes lavaschwarzes Kleid und ein mandarinfarbenes Armband mit einer silbernen Kugel. Ihre ahornbraunen Locken fallen lässig über ihren Hals. Sie sollte eigentlich in Muskat sein. Dort ist es jetzt sieben Uhr morgens. Die Sterne verblassen langsam im Dämmerlicht. Skelettartige Hunde stöbern in den Mauerresten nach Essbarem. Schrill klingt es aus den Lautsprechern, denn der Muezzin ruft zum Morgengebet. Leichen liegen verstreut wie ausgelegte Köder auf den staubigen Straßen. Kurzfristig wurde der Flug annulliert. Jetzt hat es nach dem Jemen, Iran, Irak, Saudi-Arabien auch den Oman erwischt. Der IS weitet sich wie ein Krebsgeschwür aus. Wie schön wäre es in Muskat doch gewesen. Im „The Chedi Hotel“. Sie sah sich schon im 103 m langen Pool schwimmen und abends bei Sonnenuntergang den feinen Lobster im Strandrestaurant bei Kerzenschein verkosten. Kreischende Möwen, Sonne, surferglitzerndes, unendlich scheinendes Meer. Wie würde sie den kühlen Schatten der großen mächtigen Dattelpalmen genießen und sich unter dem sichelförmigen Dach sicher und beschützt fühlen.

SIE FÜHLT SICH SO LEBENDIG

Ein Spaziergang mit Hendrik. Wo bleibt er nur. Er wollte diesmal pünktlich sein. Dieses eine Mal. Die Reise sollte eine Auszeit werden für die beiden. Sie kennen sich nun schon sehr lange und doch gibt es hundert Dinge, die Kim noch wissen will. Heute will sie ihn fragen. Wenn du ein Tier sein könntest, was möchtest du gerne sein? Wenn du ein anderer Mensch sein könntest, wer würdest du gerne sein? Doch noch immer ist nichts von Hendrik zu sehen. So stellt sie sich selbst einige Fragen? Beantwortet sich selbst die Fragen. Sie will vielleicht ein Delphin sein, Delphine lächeln und sind treu. Sie merkt, sie hat das Buch „Hendrik“ durchgeblättert, aber nicht gelesen. So fremd ist er ihr plötzlich. Kim, die schwarze Schönheit. Sie zieht immer die Aufmerksamkeit auf sich. Weltgewandt, anmutig, geschmeidig. Magisch. Das Licht schmiegt sich um ihren Körper. Ihre weinroten Lippen glänzen im Sonnenlicht. Ihre Haut, glatt wie polierter Marmor. Sie fühlt sich so lebendig. Kim will abheben wie ein Hubschrauber und alles von oben betrachten. Wie hoch wird sie fliegen?

BLUE

LEOS KÖRPER WIRD IMMER LEICHTER

ER TAUCHT AB IN DIE TIEFE

Marie legt seine Hand auf ihr Herz. Es klopft. Leben, Liebe, Freude, Begierde, Euphorie, Gefühle. Leo erkennt im Teleskop aus Raum und Zeit sich selbst und taucht ein in sein neues Leben. Es ist wie ein Rausch, ein Glückstaumel in smalteblau. Er genießt das Gefühl, auserwählt zu sein, begehrt zu werden. Er denkt an Faust und Gretchen. Er stellt sich die Gretchenfrage. Taucht immer weiter ein, taucht immer tiefer hinab. Leo wagt sich in die atemlose Stille. Die letzten Sonnenstrahlen durchdringen das türkisfarbene Meer. Er gleitet schwerelos durch die Elemente. Alles um ihn fühlt sich samtig weich an. Kein Laut, nur sein Körper, der astronautengleich und unmanövrierbar den Gezeiten ausgeliefert ist. Er schließt die Augen und sieht Marie mit ihren schwarzen lockigen Haaren, ihren schönen dunklen Augen, ihrer weiblichen Figur. Er denkt an das Lied von Mr. Probz „Waves“ und fühlt sich unendlich frei. Sein Atem wird tiefer. Er genießt die blaue Stunde und würde diese gegen nichts auf der Welt tauschen. Er würde auch die Liebe, die Verschmelzung von Atomen, das Vermischen von Protonen nicht eintauschen. Leos Körper wird immer leichter. Sein Geist sucht die Bilder der letzten Wochen wie ein Computer zusammen, vergleicht sie und bildet daraus ein wunderschönes Panoramabild. Er spürt die Ewigkeit in jeder Sekunde. Die Zeit scheint rückwärts zu laufen. Vor ihm taucht wie aus dem nichts ein Barrakudaschwarm auf. Doch wie auf ein unsichtbares Zeichen stieben die silberglänzenden Fische auseinander wie Blätter im Wind. „Paradies“, denkt er und das Lied klingt in seinen Ohren. Er nimmt jede einzelne Note, jede Harmonie wahr. Er fühlt sich wie Kapitän Nemo in seiner Nautilus 20.000 Meilen unter dem Meer. Leo begibt sich auf eine phantastische Reise. Er lässt sein altes Leben hinter sich und vollzieht eine Metamorphose. Milliarden Perlen hüllen ihn ein und bilden einen Schutzmantel aus reinstem Sauerstoff. Augenblicke schwimmen vorbei wie Delphine. Das Wasser ist tiefblau wie ein tiefer Ton. Aber wo ist Marie. Er taucht auf, dicht an die Wasseroberfläche, die wie ein Spiegel vor ihm liegt. Die Wellen schlagen unaufhaltsam an die steinernen Klippen. Nur die weißen Schiffe teilen das Wasser und durchschneiden das admiralblaue Tuch wie ein Maßschneider den Stoff. Er taucht ab in die Tiefe, durchsucht seine Seele. Irgendjemand hat sie weggezaubert. Marie ist verschwunden aus seinen Gedanken, aus seinen Träumen. Was bleibt, sind die Erinnerungen. Ein letzter Atemzug, ein letzter Stich. Das Salzwasser in seinen Augen brennt wie Feuer. Die Tränen verschwinden im Meer der Gleichgültigkeit und lösen sich auf. Er verlässt das blaue Element. Er blickt gedankenverloren aufs weite Meer. Aus der Strandbar dröhnt Reggae-Musik herüber. Der Strand leert sich langsam. Nur noch einige Paare schlendern Hand in Hand an Leo vorbei. Nur noch einige unermüdliche Strandverkäufer versuchen ihr Glück mit ihren bunten Tüchern und Hüten, mit ihren Muschelketten und Armbändern. Er legt sich zufrieden in den feinen Sand. Wo endet seine Reise?

PETER PAN

Was würde Rebecca sagen? Vielleicht:

„Kennst Du den Platz zwischen schlafen und wachen? Der Platz wo Deine Träume noch bei Dir sind? Dort werde ich Dich auf ewig lieben, Peter Pan. Dort werde ich auf Dich warten.“

MANCHMAL VERGISST ER ALLES

Rebecca spricht so ehrfürchtig über Peter wie eine Katholikin über ihre Lieblingsheiligen. In der samtigen Dunkelheit bemerkt er ihr Lächeln. Ja, es war wahrscheinlich alles eine Metapher. Der freie Flug ins Wortlose. Er wollte nicht erwachsen werden. Der Himmel strahlt mit Rebecca um die Wette. Die warme weiche Luft streicht leicht über ihre walnussbraune Haut. Gedankenverloren sitzt sie da und blickt aufs weite Meer. Wie ist ihr Verhältnis von Körper und Geist? Irgendwie hat sich seine Seele verändert, denkt Rebecca. Er hat einen unsichtbaren Pakt geschlossen. Manchmal vergisst er alles. Sogar sich selbst. Dann ist er in seiner kleinen dunklen Welt alleine. Es ist fast, als ob er übersinnliche Fähigkeiten besitzt. Doch oft sind seine Träume wie Folter. Moderne Gehirnwäsche.

ER TREIBT IM LUFTLEEREN RAUM

Und doch hat er das Gefühl, alles schon einmal geträumt zu haben. Die endlosen Tage, die endlosen sternenklaren Nächte, in denen er die Sternzeichen deutete, den Großen Wagen, der direkt auf das gestauchte W der Kassiopeia zusteuerte. Auf der breiten Milchstraße war auch noch für den Kleinen Wagen Platz, der gefährlich nah am Großen Bären vorbeizog. Er schwenkt seinen imaginären Zauberstab wie David Copperfield in seinen besten Zeiten. Er lässt alles um sich verschwinden. Den Himmel, die Erde, das Universum, die fernen Galaxien, und übrig bleiben nur die Erinnerungen, die Sehnsüchte, die Träume. Nachzulesen ist alles in dem geheimnisvollen Buch. Die Schwerkraft scheint außer Kraft zu sein und Peter wirkt wie telepathisch auf Rebecca. Er betritt das Gebäude und rennt wie ein Actionheld die Treppe hinauf. Er ist in einem Labyrinth aus Gängen und Türen, aus Entscheidungen und Prioritäten gefangen. Er fragt sich, wo er falsch abgebogen war. Er treibt im luftleeren Raum und seine Lebensuhr tickt unaufhaltsam. Es ist die Nähe, die er schon fast vergessen hat. Früher als all die anderen sah er Bilder von Ereignissen, die noch nicht geschehen waren. Eine Vorahnung?

TRANCE

FUNK, SOUL UND GROOVE

Die Musik des DJ mit Wahlheimat Mallorca dröhnt aus meterhohen Blackboxen. Irrwitzige Remixe laufen auf und ab. Funk, Soul und Groove wechseln sich mit Deep House ab und ergeben ein sich immer schneller drehendes Klangkarussell. Er dreht an den imaginären Reglern. Klangkaskaden fallen auf die sich unaufhaltsam drehenden Figuren herab. Grelle Scheinwerfer tauchen alles in ein mystisches unwirkliches Licht. Hände suchen irgendwo Halt in der aus Bewegung, Musik und süßlichem Duft bestehenden undurchsichtigen Bühne. Die Ekstase ist förmlich spürbar und überträgt sich auf die glatten schmucklosen Betonwände, deren unspektakuläres Titangrau alles zu verschlucken sucht. Die Bässe vibrieren in den Knochen, das Herz schlägt im 6/8-Rhythmus, wie nach der erfolgreichen Behandlung mit dem Defibrillator. Champagner spritzt wie Weihwasser auf die unheiligen Körper. Das Stroboskobgewitter wirkt dabei wie die Taube des Heiligen Geistes, der auf alle herniederfällt. Das Dickicht aus Körpern, Stimmen, Rauch und Musikfetzen lockert sich von Minute zu Minute.

Ich atme Phantasien und Illusionen ein. Wieder trifft ein Schwall aus lackmusvioletten Strahlen meine Augen. Das metisgrüne Licht wirkt wie Laserschwerte aus einer fremden Galaxie. Ich will meinen Körper abwerfen und zurücklassen, zusammen mit allen Sünden und Problemen. Die Halluzinationen werden stärker. Ich lebe auf einer Insel im Meer der Angst.

Fühle mich wie Robinson. Versuche einen Notruf abzusetzen. Das Miloriblau des Wassers umgibt mich wie eine unsichtbare Fessel. Ich wandere in Gedanken über den feinsandigen vanillegelben Strand, in der Hoffnung auf Lebenszeichen.

All das kam über mich wie der Fluch der Karibik. Immer noch sehe ich Kapitän Jack Sparrow übers Deck fliegen und höre die mystischen Klänge der Musik. Die Piraten kommen auf mich zu und entern mein Lebensschiff. Sie rauben all meine Schätze.

Plötzlich: Riesige Schallwellen türmen sich vor mir auf. Elektrische Ladungen durchströmen meinen Körper. Raum und Zeit verbinden sich zu einer neuen Dimension. Die Gravitation scheint außer Kraft zu sein. Meine Gehirnströme schicke ich per Bluetooth in die tintenschwarze Galaxie. Es bleibt keine Zeit, alles zu verarbeiten. Die Gefühle, die Gedanken, die Fantasie. Irgendjemand hat meine Nachricht in einem Transponder geöffnet. Plötzlich verändert sich die ganze Welt. Meine Welt. Die Physik ist außer Kraft gesetzt.

Da erscheint er wieder, der unsichtbare Fremde. Ich zögere eine Sekunde. Wäge ab und dann…

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