Charles Dickens Weihnachtsmärchen
Weihnachtsmärchen
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Charles Dickens Weihnachtsmärchen

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bis Euch Eure Augen weh tun: Ihr findet kein Loch darin und

keine dünne Stelle. Es ist das beste, was er hatte, und sein ist's

auch. Sie hätten's verdorben, wenn ich nicht gewesen wäre.«

»Was meint Ihr mit Verderben?« fragte der alte Joe.

»Nun, ihm das Hemd in das Grab mitgeben, was sonst?«

erwiderte die Frau lachend. »Es war da einer dumm genug, es

ihm anzuziehen, aber ich zog's ihm wieder aus. Wenn Kattun zu

so etwas nicht gut genug ist, weiß ich nicht, zu was er sonst gut

wäre. Er steht einer Leiche ebensogut. Er kann nicht häßlicher

aussehen, als er darin aussah.«

Scrooge hörte das Gespräch mit Grausen an. Wie sie da um

ihren Raub herum in dem kärglichen Lampenlicht des Alten

saßen, betrachtete er sie mit einem Ekel und einem Abscheu, der

nicht größer hätte sein können, wenn es scheußliche Dämonen

gewesen wären, die um die Leiche selbst feilschten.

»Ha, ha!« lachte dieselbe Frau, als der alte Joe, einen alten

flanellnen Geldbeutel herauslangte und jedem den Preis des

Raubes auf den Fußboden hinzählte. »Das ist das Ende von der

Geschichte, seht Ihr! Er scheuchte jeden von sich, solange er

lebte, um uns zu nützen, da er tot ist! Hahaha!«

lebte, um uns zu nützen, da er tot ist! Hahaha!«

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»Geist«, sagte Scrooge, vom Fuß bis zum Scheitel zitternd. »Ich

verstehe dich.

Das Los dieses Unglücklichen könnte das meinige sein. Mein

Leben geht jetzt auf dieses Ziel zu. Gnädiger Himmel, was ist

das?«

Er fuhr entsetzt zurück, denn die Szene hatte sich verändert, und

er stand dicht vor einem Bett, einem einsamen, unverhängten

Bett, in dem unter einer groben Decke etwas Verhülltes lag, das,

obgleich stumm, in einer grauenerregenden Sprache verkündete,

was es war.

Das Zimmer war sehr dunkel, zu dunkel, um etwas sicher

erkennen zu können, obgleich sich Scrooge, einem geheimen

Gefühl folgend, voll Begier umsah, um zu wissen, was für ein

Zimmer es sei. Ein bleiches Licht, das von draußen

hereinströmte, fiel gerade aufs Bett; und auf diesem, geplündert

und beraubt, unbewacht und unbeweint, lag die Leiche dieses

Mannes.

Scrooge blickte die Erscheinung an. Ihre regungslose Hand wies

auf das Haupt des Leichnams. Die Decke war so sorglos

zurechtgelegt, daß das geringste Verschieben, die leiseste

Berührung von Scrooges Fingern das Antlitz enthüllt hätte. Er

dachte daran, empfand, wie leicht es geschehen könnte, und

sehnte sich, es zu tun; aber er hatte ebensowenig die Kraft, die

Hülle wegzuziehen, wie den Geist von seiner Seite zu entlassen.

Oh, kalter, starrer, schrecklicher Tod, hier richte deinen Altar auf

und umgib ihn mit den Schrecken, über die du verfügst, denn

dies ist dein Reich! Aber dem geliebten und verehrten Haupt

kannst du kein Haar krümmen, von ihm kannst du keinen Zug

widerlich machen. Auch wenn die Hand schwer ist und

herabsinkt, wenn man sie fallen läßt, auch wenn das Herz und

der Puls schweigen; die Hand war offen und barmherzig, das

Herz war offen und warm und gut und der Puls ein menschlicher.

Töte, Schatten, töte! Und sieh, wie seine guten Taten aus der

Todeswunde hervorströmen, um in der Welt ein unsterbliches

Leben auszusäen!

Es war nicht etwa eine Stimme, die diese Worte in Scrooges

Ohren flüsterte, aber doch hörte er sie, während er auf das Bett

starrte. Er dachte, wenn dieser Mann jetzt wieder erweckt

werden könnte, was würde wohl sein erster Gedanke sein? Nur

Geiz, Hartherzigkeit, habgierige Sorge. - Ein schönes Ende

haben sie ihm bereitet!

Er lag in dem düstern leeren Haus, und kein Mann, kein Weib,

kein Kind war da, um zu sagen: »Er war gütig gegen mich in dem

und in jenem, und dieses einen gütigen Wortes gedenkend will

ich seiner warten.« Eine Katze kratzte an der Tür, und die Ratten

ich seiner warten.« Eine Katze kratzte an der Tür, und die Ratten

nagten und raschelten unter dem Kamin. Was sie in dem

Gemach des Todes wol ten und warum sie so unruhig waren,

wagte Scrooge nicht auszudenken.

»Geist«, sagte er, »dies ist ein schrecklicher Ort. Wenn ich ihn

verlasse, werde ich nicht seine Lehre vergessen, glaube mir. Laß

uns gehen.«

Immer noch wies der Geist mit regungslosem Finger auf das

Haupt der Leiche.

»Ich verstehe dich«, antwortete Scrooge, »und ich täte es, wenn

ich könnte.

Aber ich habe die Kraft nicht dazu, Geist. Ich habe die Kraft

nicht dazu.«

Wieder schien ihn der Geist anzublicken.

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»Wenn irgend jemand in der Stadt ist, der bei dieses Mannes

Tod etwas fühlt«, bat Scrooge ganz erschüttert, »so zeige mir

ihn, Geist, ich flehe dich an.«

Die Erscheinung breitete ihren dunklen Mantel einen Augenblick

vor ihm aus wie einen Fittich; und wie s ie ihn wieder wegzog,

sah er ein taghelles Zimmer, in dem sich eine Mutter mit ihren

sah er ein taghelles Zimmer, in dem sich eine Mutter mit ihren

Kindern befand.

Sie wartete auf jemandes Kommen in ängstlicher Hoffnung, denn

sie ging im Zimmer auf und ab, erschrak bei jedem Geräusch,

sah zum Fenster hinaus, blickte nach der Uhr, versuchte

umsonst, sich zu beschäftigen und konnte kaum die Stimmen der

spielenden Kinder ertragen.

Endlich vernahm s ie das langersehnte Klopfen an der Haustür,

und als sie hinausgehen wol te, kam ihr der Gatte entgegen. Sein

Gesicht war abgehärmt und bekümmert, obgleich er noch jung

war! Es zeigte sich jetzt ein merkwürdiger Ausdruck darin: eine

Art ernster Freude, deren er sich schämte und die er zu

verbergen bestrebt war.

Er setzte sich zum Essen nieder, das man ihm am Feuer

aufgehoben hatte; und als die Gattin ihn erst nach langem

Schweigen fragte, was er für Nachrichten bringe, schien er um

Antwort verlegen zu sein.

»Sind es gute«, fragte sie, »oder schlechte?«

»Schlechte«, gab er zur Antwort.

»Sind wir ganz zugrunde gerichtet?«

»Nein, noch ist Hoffnung vorhanden, Caroline.«

»Wenn er sich erweichen läßt«, rief sie erstaunt, »dann ist noch

Hoffnung da!

Nichts ist hoffnungslos, wenn ein solches Wunder geschehen ist.«

»Für ihn ist es zu spät, Erbarmen zu zeigen«, sagte der Gatte. »Er

ist tot.«

Wenn ihr Gesicht Wahrheit sprach, so war sie ein mildes und

geduldiges Wesen; aber sie war doch dankbar dafür in ihrem

Herzen und sprach es mit gefalteten Händen aus. Doch schon im

nächsten Augenblick bat sie Gott, daß er ihr verzeihen möge,

und bereute es; aber das erste Gefühl war die Stimme ihres

Herzens gewesen.

»Was mir die halbbetrunkene Frau gestern abend meldete, als

ich ihn sprechen und um eine Woche Aufschub bitten wol te, und

was ich nur für einen bloßen Vorwand hielt, um mich

abzuweisen, erweist sich jetzt als die reine Wahrheit.

Er war nicht nur sehr krank, er lag schon im Sterben.«

»Auf wen wird unsere Schuld übergehen?«

»Ich weiß es nicht. Aber noch vor dieser Zeit werden wir das

Geld haben; und selbst, wenn dies nicht einträfe, wär' es fast

unwahrscheinlich großes Pech, in seinem Erben einen ebenso

unbarmherzigen Gläubiger zu finden. Wir können heut' nacht

leichteren Herzens schlafen, Caroline.«

Ja, sie mochten es verhehlen, wie sie wollten: ihre Herzen waren

leichter. Die Gesichter der Kinder, die s ich still um die Eltern

drängten, um zu hören, was sie so wenig verstanden, erhel ten

sich, und al e wurden glücklicher durch dieses Mannes Tod. Das

einzige von diesem Ereignis hervorgerufene Gefühl, das ihm der

Geist zeigen konnte, war also eins der Freude.

60

»Laß mich ein zärtliches, bei einem Todesfall empfundenes

Gefühl sehen«, bat Scrooge, »oder mir wird dies dunkle Zimmer,

das wir soeben verlassen haben, immer vor Augen bleiben.«

Nun führte ihn der Geist durch mehrere Straßen, die er oft

gegangen war; und indem s ie vorüberschwebten, hoffte Scrooge

sich hier und da zu erblicken, aber nirgends war er zu sehen. Sie

traten in Bob Cratchits Haus, dessen Wohnung sie schon früher

besucht hatten, und fanden dort die Mutter mit den Kindern um

das Feuer sitzen.

Alles war ruhig, alles war still, sehr still. Die lärmenden kleinen

Cratchits saßen stumm, wie steinerne Bilder, in einer Ecke und

sahen auf Peter, der ein Buch vor sich hatte. Mutter und Töchter

nähten. Aber auch sie waren stil , sehr still.

»Und er nahm ein Kind und stellte es in ihre Mitte.«

»Und er nahm ein Kind und stellte es in ihre Mitte.«

Wo hatte Scrooge diese Worte gehört? Der Knabe mußte sie

gelesen haben, als er und der Geist über die Schwel e traten.

Warum fuhr der Leser nicht fort?

Die Mutter legte ihre Arbeit auf den Tisch und führte die Hand

gegen die Augen.

»Die Farbe tut mir weh«, sagte sie.

Die Farbe? Ach, der arme Tiny Tim!

»Es geht jetzt wieder besser«, sagte Cratchits Frau.

»Die Farbe tut mir weh bei Licht, und ich möchte nicht, daß

Vater, wenn er heimkommt, meine roten Augen sieht. Es muß

bald Zeit sein.«

»Fast schon vorüber«, erwiderte Peter, das Buch schließend.

»Aber ich glaube, Mutter, er geht jetzt etwas langsamer als

früher.«

Sie waren wieder sehr still. Endlich sagte sie mit einer ruhigen,

heiteren Stimme, die nur ein einziges Mal zitterte:

»Ich weiß, daß er mit - ich weiß, daß er mit Tiny Tim auf der

Schulter sehr schnel ging.«

»Ich auch«, rief Peter. »Oft.«

»Ich auch«, rief Peter. »Oft.«

»Ich auch«, stimmten die andern ein.

»Aber er war sehr leicht zu tragen«, fing sie wieder an, den Blick

fest auf ihre Arbeit gerichtet, »und der Vater liebte ihn so, daß es

keine Last für ihn war -

keine Last. Doch horch: da kommt der Vater.«

Sie eilten ihm entgegen und Bob mit dem Schal - der arme Kerl

hatte ihn nötig

- trat herein. Sein Tee stand bereit, und sie drängten sich al e

herbei, und jeder wol te ihn am meisten bedienen. Dann

kletterten die beiden kleinen Cratchits auf seine Knie, und jedes

Kind legte eine kleine Wange an die seine, als wol ten sie sagen:

»Gräm dich nicht, lieber Vater, sei nicht traurig.«

Bob war sehr heiter und sprach sehr munter mit der ganzen

Familie. Er besah die Arbeit auf dem Tisch und lobte den Fleiß

und den Eifer seiner Frau und Töchter. Sie würden lange vor

Sonntag fertig sein, meinte er.

»Sonntag!« wiederholte die Frau. »Du warst also heute dort,

Robert?«

»Ja, meine Liebe«, antwortete Bob. »Ich wol te, du hättest auch

hingehen können. Es würde dein Herz erfreut haben, zu sehen,

hingehen können. Es würde dein Herz erfreut haben, zu sehen,

wie grün es dort ist. Aber 61

du wirst es oft sehen. Ich versprach ihm, sonntags hinzugehen.

Mein liebes, liebes Kind!«meinte Bob. »Mein liebes Kind!«

Er brach auf einmal zusammen. Er konnte nicht anders. Hätte er

anders gekonnt, so wären er und sein Kind einander wohl

weniger nahe gewesen.

Er verließ die Stube und ging die Treppe hinauf in ein Zimmer,

das hel erleuchtet und weihnachtsmäßig aufgeputzt war. Ein Stuhl

stand dicht neben dem Kind und man sah, daß vor kurzem

jemand dagewesen war. Der arme Bob setzte sich nieder, und

als er ein wenig nachgedacht und sich gefaßt hatte, küßte er das

kleine kalte Gesicht. Er war versöhnt mit dem Geschehenen und

ging wieder hinunter ganz heiter.

Sie setzten sich um das Feuer und unterhielten s ich; die

Mädchen und Mutter arbeiteten fort. Bob erzählte ihnen von

Scrooges Neffen und seiner außerordentlichen Freundlichkeit,

obwohl er ihn kaum ein einziges Mal gesehen habe. Er habe ihn

heute auf der Straße getroffen, und als er bemerkt, daß er ein

wenig niedergeschlagen aussähe, habe er ihn gefragt, was ihn

bekümmere.

»Hierauf«, sagte Bob, »erzählte ich es ihm, denn er ist der

freundlichste junge Herr, den ich kenne. ›Ich bedaure Sie

herzlich, Mr. Cratchit,‹ sagte er, ›und auch Ihre gute Frau.‹ -

herzlich, Mr. Cratchit,‹ sagte er, ›und auch Ihre gute Frau.‹ -

Übrigens, wie er das wissen kann, möchte ich wissen.«

»Was sol er wissen, mein Lieber.«

»Nun, daß du eine gute Frau bist«, antwortete Bob.

»Jedermann weiß das«, meinte Peter.

»Sehr gut bemerkt, mein Junge«, rief Bob. »Ich hoffe, es ist so.

›Herzlich bedaure ich Ihre gute Frau‹, sagte er. ›Wenn ich Ihnen

auf irgendeine Weise behilflich sein kann‹, setzte er hinzu, indem

er mir seine Karte gab, ›hier ist meine Adresse. Kommen Sie nur

zu mir.‹ Nun ist es nicht gerade darum«, sprach Bob, »weil er

etwas für uns tun könnte, sondern mehr wegen seiner herzlichen

Weise, daß ich mich darüber so freute. Es schien wirklich, als

habe er unsern Tiny Tim gekannt und fühle mit uns.«

»Er ist gewiß eine gute Seele«, sagte Mrs. Cratchit.

»Du würdest das noch eher erkennen, meine Liebe«, antwortete

Bob, »wenn du ihn sähest und mit ihm sprächest. Es sol te mich

nicht wundern, wenn er Peter eine bessere Stelle verschaffte.

Denkt an meine Worte.«

»Nun höre nur, Peter«, sagte Mrs. Cratchit.

»Und dann«, rief eines der Mädchen, »wird sich Peter nach einer

Frau umsehen.«

Frau umsehen.«

»Ach, sei still«, antwortete Peter lachend.

»Nun, das kann schon kommen«, sagte Bob, »doch bis dahin hat

er noch eine Menge Zeit. Aber wie und wann wir uns auch

voneinander trennen sollten, so bin ich doch überzeugt, daß

keiner von uns den armen Tiny Tim vergessen wird oder diese

erste Trennung, die wir erfuhren.«

»Niemals, Vater«, riefen alle.

»Und ich weiß«, sagte Bob, »ich weiß, meine Lieben, wenn wir

daran denken, wie geduldig und wie sanft er war, obgleich er nur

ein kleines Kind war, werden 62

wir uns nicht so leicht zanken und den guten Tiny Tim vergessen,

indem wir's tun.«

»Nein, niemals, Vater«, riefen wieder alle.

»Ich bin sehr glücklich«, sagte Bob, »sehr glücklich.«

Mrs. Cratchit küßte ihn, seine Töchter küßten ihn, die beiden

kleinen Cratchits küßten ihn, und Peter und er drückten sich die

Hand. Seele Tiny Tims, du warst ein Hauch von Gott.

»Geist«, sprach Scrooge, »etwas sagt mir, daß wir uns bald

trennen werden.

Ich weiß es, aber ich weiß nicht wie. Sag mir, wer war es, den

wir auf dem Totenbett sahen?«

Der Geist der zukünftigen Weihnacht führte ihn wie zuvor - doch

zu verschiedener Zeit, wie es ihm vorkam, und überhaupt schien

in den letzten abwechselnden Gesichtern keine Zeitfolge

stattzufinden - an die Zusammenkunftsorte der Geschäftsleute,

aber er sah sich selber nicht. Der Geist hielt sich nirgends auf,

sondern schwebte immer weiter, wie nach dem Ort zu, wo

Scrooge die gewünschte Lösung des Rätsels finden würde, bis

ihn dieser bat, einen Augenblick zu verweilen.

»Ja, dieser Hof, durch den wir jetzt eilen«, sagte Scrooge, »war

einst mein Geschäft und war es lange Jahre hindurch. Ich

erkenne das Haus. Laß mich sehen, was ich in den kommenden

Tagen sein werde.«

Der Geist stand still; die Hand zeigte anderswohin.

»Das Haus ist dort«, rief Scrooge. »Warum zeigst du

anderswohin?«

Der unerbittliche Finger nahm keine andere Richtung an.

Scrooge eilte nach dem Fenster seines Kontors und schaute

hinein. Es war noch ein Kontor, aber nicht das seinige. Die

Möbel waren nicht dieselben, und die Gestalt in dem Stuhl war

nicht die seine. Die Erscheinung zeigte nach derselben Richtung

nicht die seine. Die Erscheinung zeigte nach derselben Richtung

wie vorher.

Er trat wieder zu ihr hin und nachsinnend, warum und wohin sie

gingen, begleitete er sie, bis sie eine eiserne Pforte erreichten. Er

stand still, um sich vor dem Eintreten umzusehen.

Es war ein Kirchhof. Hier also lag der Unglückliche unter der

Erde, dessen Namen er noch erfahren sol te. Der Ort war seiner

würdig. Rings von hohen Häusern umgeben, überwuchert von

Unkraut, entsprossen dem Tod, nicht dem Leben der

Vegetation, vollgepfropft von zu vielen Leichen, genährt von

übersättigtem Genuß.

Der Geist stand inmitten der Gräber still und deutete auf eins

hinab. Scrooge näherte sich ihm bebend. Die Erscheinung war

noch ganz so wie früher, aber ihm war es immer, als sähe er eine

neue Bedeutung in der düsteren Gestalt.

»Ehe ich mich dem Stein nähere, den du mir zeigst«, sagte

Scrooge,

»beantworte mir eine Frage. Sind dies die Schatten der Dinge,

die sein werden, oder nur deren, die sein können ?«

Immer noch wies der Geist auf das Grab hin, vor dem sie

standen.

63

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»Die Wege des Menschen tragen ihr Ziel in sich«, murmelte

Scrooge. »Aber schlägt er einen andern Weg ein, so ändert sich

das Ziel. Sag, ist es so mit dem, was du mir zeigen wirst?«

Der Geist blieb so unbeweglich wie immer.

Scrooge näherte sich schlotternd dem Grabe, und wie er der

Richtung des Fingers folgte, las er auf dem Stein seinen eigenen

Namen.

EBENEZER SCROOGE

»Bin ich es, der auf jenem Bett lag?« rief er, in die Knie sinkend.

Der Finger zeigte von dem Grabe fort auf ihn und wieder zurück.

»Nein, Geist, o nein!«

Der Finger wies unveränderlich dorthin.

»Geist«, rief Scrooge, sich fest an sein Gewand klammernd, »ich

bin nicht mehr der Mensch, der ich ehedem war. Ich will ein

anderer Mensch werden, als ich vor diesen Tagen gewesen bin.

Warum zeigst du mir dies, wenn al e Hoffnung geschwunden

ist?«

Zum ersten Male schien des Geistes Hand zu zittern.

»Guter Geist«, fuhr er fort, »dein eigenes Herz legt bittend für

mich ein Wort ein und bedauert mich. Sag mir, daß ich durch ein

verändertes Leben die Schattenbilder, die du mir gezeigt hast,

ändern kann!«

Die gütige Hand zitterte.

»Ich will Weihnachten in meinem Herzen ehren, ich will

versuchen, es zu feiern. Ich will in der Vergangenheit, in der

versuchen, es zu feiern. Ich will in der Vergangenheit, in der

Gegenwart und in der Zukunft leben. Die Geister von allen dreien

sollen in mir lebendig sein. Ich wil ihren Lehren mein Herz nicht

verschließen. O sage mir, daß ich die Schrift auf diesem Stein

tilgen kann!«

In seiner Angst ergriff Scrooge die gespenstige Hand. Sie

versuchte, sich von ihm loszumachen, aber er war stark in seinem

Flehen und hielt sie fest. Der Geist, noch stärker, stieß ihn

zurück.

Wie Scrooge die bebenden Hände zu einem letzten Flehen um

Änderung seines Schicksals in die Höhe hielt, sah er die

Erscheinung sich verändern. Sie wurde kleiner und kleiner und

schwand zu einem Bettpfosten zusammen.

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Fünfte Strophe

Das Ende

Ja, und es war sein eigener Bettpfosten. Es war sein Bett und

sein Zimmer.

Und was das Glücklichste und Beste war: die Zukunft gehörte

ihm, um s ich zu bessern.

»Ich will in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der

»Ich will in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der

Zukunft leben«, wiederholte Scrooge, als er aus dem Bett

kletterte. »Die Geister von allen dreien sollen in mir lebendig sein.

Oh, Jacob Marley! Der Himmel sei dafür gepriesen und die

Weihnachtszeit! Ich sage es auf meinen Knien, alter Jacob, auf

meinen Knien.«

Er war von seinen guten Vorsätzen so durchflammt und außer

sich, daß seine bebende Stimme auf seinen Ruf kaum antworten

wol te. Während seines Ringens mit dem Geist hatte er bitterlich

geweint, und sein Ges icht war noch naß von den Tränen.

»Sie sind nicht herabgerissen«, rief Scrooge, eine der

Bettgardinen an die Brust drückend, »sie sind nicht

herabgerissen. Sie sind da, ich bin da, die Schatten der Dinge,

die da kommen, können vertrieben werden. Ja, ich weiß es, ich

weiß es gewiß.«

Während dieser ganzen Zeit beschäftigten sich seine Hände mit

den Kleidungsstücken: er zog sie verkehrt an, zerriß sie, verlegte

sie und machte damit allerhand tolle Sprünge.

»Ich weiß nicht, was ich tue«, rief Scrooge in einem Atem

weinend und lachend und mit seinen Strümpfen einen wahren

Laokoon aus sich machend. -

»Ich bin leicht wie eine Feder, selig wie ein Engel, vergnügt wie

ein Schulknabe, schwindlig wie ein Trunkener. Fröhliche

Weihnachten allen Menschen! Ein glückliches Neujahr der

Weihnachten allen Menschen! Ein glückliches Neujahr der

ganzen Welt! Hal o! Hussa! Hurra!«

Er war in das Wohnzimmer gesprungen und blieb jetzt drin ganz

außer Atem stehen.

»Da ist die Schüssel, in der der Haferschleim war!« rief Scrooge,

indem er um den Kamin herumhüpfte. »Da ist die Tür, durch die

Jacob Marleys Geist hereinkam, da ist die Ecke, wo der Geist

der diesjährigen Weihnacht saß, da ist das Fenster, wo ich die

ruhelosen Geister sah! Es ist alles richtig, es ist alles wahr, es ist

al es geschehen. Hahahaha!«

Für einen Mann, der so lange Jahre aus der Gewohnheit war,

mußte man es wirklich ein vortreffliches Lachen nennen, ein

herrliches Lachen. Es war der Vater einer langen, langen Reihe

herrlicher Lachsalven!

»Ich weiß nicht, den Wievielten wir heute haben«, rief Scrooge.

»Ich weiß nicht, wie lange ich unter den Geistern gewesen bin.

Ich weiß gar nichts. Ich bin wie ein neugeborenes Kind. Es

schadet nichts. Ist mir einerlei. Ich will lieber ein Kind sein.

Hallo! Hussa! Hurra!«

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Er wurde in seinen Freudenausbrüchen von dem Geläut der

Kirchenglocken unterbrochen, die ihm so fröhlich zu klingen

schienen, wie nie vorher. Bimbam, kling-klang, bim-bam. Nein,

schienen, wie nie vorher. Bimbam, kling-klang, bim-bam. Nein,

es war zu herrlich, zu herrlich!

Er lief zum Fenster, öffnete es und steckte den Kopf hinaus.

Kein Nebel: ein klarer, lustig-heller, frischfroher Morgen, eine

Kälte, die dem Blut einen Tanz vorpfiff, goldenes Sonnenlicht,

ein himmlischer Himmel, lieblich-erquickende Luft, fröhliche

Glocken. O wie herrlich, wie herrlich!

»Was ist denn heute für ein Tag?« rief Scrooge einem Knaben in

Sonntagskleidern zu, der unterm Fenster stand.

»Wie?« fragte der Knabe mit der al ergrößten Verwunderung.

»Was ist heut' für ein Tag, mein Junge?« fragte Scrooge.

»Heute?« antwortete der Knabe. »Nun, Christtag.«

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