Tira Beige Rebeccas Schüler
Rebeccas Schüler
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Tira Beige Rebeccas Schüler

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Ohne dass Rebecca nach­frag­te, griff Ro­bert den Ge­sprächs­fet­zen von eben auf: »Ich bin ver­hei­ra­tet. Habe zwei Söh­ne, elf und neun. Und du?«

»Ich habe kei­ne Kin­der«, er­wi­der­te Rebecca.

»Bist du ver­hei­ra­tet oder hast du einen Part­ner?«

Rebecca schüt­tel­te den Kopf. Ohne ih­rer Mi­mik an­mer­ken zu las­sen, wie sie über ih­ren Be­zie­hungs­sta­tus dach­te, fass­te sie zu­sam­men: »Be­vor ich vor drei Jah­ren hier­her ge­zo­gen bin, habe ich mit ei­nem Mann zu­sam­men­ge­lebt. Gute acht Jah­re lang. Seit­dem gab es nichts Fes­tes mehr.«

Ro­berts stahl­graue Au­gen ver­fins­ter­ten sich. Fa­mi­li­en­mensch durch und durch, dach­te Rebecca.

»Du brauchst kein Mit­leid mit mir zu ha­ben«, gab sie schnell zu­rück, als sie re­gis­trier­te, dass Ro­berts un­be­schwer­te Mie­ne von eben durch ihre Wor­te gänz­lich ver­schwun­den war. »Wir ha­ben uns ein­ver­nehm­lich ge­trennt. Es gab ein paar … Pro­ble­me.«

Du bist fremd­ge­gan­gen, Rebecca. Nun gut. Ihr Sei­ten­sprung mit ih­rem Schü­ler war schuld. Nach­dem Paul die Wahr­heit ver­daut hat­te, war schnell klar, dass es kei­ne Zu­kunft mit ihm ge­ben wür­de. Die Part­ner­schaft stand schon vor ih­rer Af­fä­re auf der Kip­pe. Zum Ein­sturz ge­bracht hat­te sie letzt­lich ihre Un­fä­hig­keit, mit Paul über ihre Ge­füh­le re­den zu kön­nen. Heu­te wünsch­te sie, sie hät­te sich eher ge­traut, ihm zu ge­ste­hen, wie un­g­lü­ck­lich sie die lieb­lo­se Part­ner­schaft ge­macht hat­te. Die Jah­re mit Paul wa­ren si­cher­lich nicht ver­geu­det, aber herz- und freud­los.

Nie wie­der woll­te sie es so weit kom­men las­sen, sich ihre Ge­füh­le nicht ein­zu­ge­ste­hen und in ei­ner Part­ner­schaft zu en­den, die nur Still­stand kann­te. Nun galt es zu le­ben, mit je­der Fa­ser des Kör­pers und der See­le den Mo­ment zu ge­ni­e­ßen. Nur noch das Hier und Jetzt soll­te zäh­len.

»Lass uns über die Schü­ler spre­chen, die ich be­kom­me«, schlug sie vor, um nicht mehr an ih­ren Ex und an die ver­lo­re­ne Lie­be zu ih­rem Schü­ler den­ken zu müs­sen.

»Lass uns erst mal es­sen«, mach­te Ro­bert den Ge­gen­vor­schlag, als er sah, dass die Mahl­zeit ser­viert wur­de. Die Be­die­nung stell­te den Tel­ler mit der damp­fen­den En­ten­brust auf eine Warm­hal­te­plat­te. Dann lief sie da­von und brach­te als Nächs­tes den Reis in klei­nen, weiß-blau­en Por­zel­lan­schäl­chen her­bei.

Rebecca nahm sich et­was von dem ver­füh­re­risch duf­ten­den Fleisch auf ih­ren Tel­ler. Da­ne­ben sta­pel­te sie eine or­dent­li­che Por­ti­on von dem Kle­be­reis, der sich schwer vom Por­zel­lan­löf­fel lös­te. Wie Kleis­ter hing er dar­an. Ro­bert schau­fel­te sich ähn­lich viel da­von auf sei­nen Tel­ler drauf.

Es schmeck­te in der Tat sehr ap­pe­tit­lich. Ihr neu­er Kol­le­ge hat­te nicht über­trie­ben.

»Kennst du mei­ne Schü­ler, die ich be­kom­me?«, frag­te Rebecca kau­end.

Ro­bert schluck­te sei­nen Bis­sen hin­un­ter und sag­te: »Ich bin vie­le Jah­re lang Klas­sen­leh­rer in die­ser Jahr­gangs­stu­fe ge­we­sen. Ich ken­ne alle Schü­ler sehr gut. Als Tu­tor muss man sich na­tür­lich noch mal ganz an­ders um sie küm­mern. Man be­glei­tet sie bis zum Ab­itur, steht ih­nen sehr nahe.«

Rebeccas Er­fah­rung ging bis­her nicht über die ei­ner Klas­sen­leh­re­rin hin­aus. Dass sie in die­ser Ver­ant­wor­tung nicht er­folg­reich war, weil sie kei­nen Draht zu den Kin­dern auf­bau­en konn­te, ver­schwieg sie. Tu­to­rin zu sein, stell­te für sie eine gänz­lich neue Her­aus­for­de­rung dar. Nun muss­te sie be­wei­sen, dass sie Em­pa­thie be­saß und fä­hig dazu war, die Schü­ler zu Stu­die­ren­den zu ma­chen.

»Mein Leis­tungs­kurs in Deutsch wird mein Tu­tor­kurs«, sag­te Rebecca. »Ich möch­te nicht nur un­ter­rich­ten, son­dern die Schü­ler ken­nen­ler­nen.« Das Ziel muss­te dies­mal kon­se­quent ver­folgt wer­den, um von vorn­her­ein Kom­pli­ka­ti­o­nen mit den Ju­gend­li­chen aus­zu­schlie­ßen.

Ro­bert nick­te und schob sich einen Hap­pen von der En­ten­brust in den Mund, ge­nau wie Rebecca.

»Aber du hast Glück mit dei­nen Leu­ten«, ant­wor­te­te er und lä­chel­te sie mit sei­nen di­cken Wan­gen an. Sei­ne Kie­fer­mus­ku­la­tur wirk­te beim Kau­en noch ver­scho­be­ner.

»Du hast nur zwölf Schü­ler in dei­nem Kurs. Zehn Mäd­chen und zwei Jungs. Aber die ha­ben es in sich«, deu­te­te Ro­bert ver­schwö­re­risch an und schau­te von sei­nem Ge­richt auf. Sein schel­mi­sches Grin­sen ver­stell­te sei­nen oh­ne­hin schie­fen Mund.

»Du meinst, die Jungs ha­ben es in sich?«, woll­te Rebecca wis­sen.

Ro­bert schnitt mit der Ga­bel ein Stück En­ten­brust ab, be­vor er tief ein­at­mend sag­te: »Ich war der Klas­sen­leh­rer von Ce­d­ric und Li­nus und rate dir, ein Auge auf die bei­den zu ha­ben.«

Krach!!! Die Ga­bel kam schep­pernd auf dem Por­zel­lan­tel­ler auf.

Die bei­den Ker­le aus der Dis­co wür­den ihre neu­en Schü­ler sein?!

»Was ist los?«, frag­te Ro­bert, sicht­lich er­schro­cken von dem lau­ten Ge­räusch, den das Me­tall ver­ur­sacht hat­te.

»Nichts. Mir ist die Ga­bel aus der Hand ge­fal­len«, be­kräf­tig­te Rebecca, die Mühe da­mit hat­te, den di­cken Klum­pen En­ten­brust, der sich in ihre Luft­röh­re ver­irrt hat­te, nach oben zu wür­gen. Has­tig er­griff sie das Sekt­glas und leer­te es in we­ni­gen Zü­gen.

»Ce­d­ric vor al­lem soll­test du im Blick be­hal­ten.« Das Ge­burts­tags­kind aus der Dis­co­thek, er­gänz­te Rebecca im Geist. »Ziem­li­cher Drauf­gän­ger. Macht im­mer einen auf cool, tanzt schnell aus der Rei­he. Weiß nicht, ob er sich in­zwi­schen mehr von Er­wach­se­nen sa­gen lässt. In der Un­ter­stu­fe je­den­falls war er nicht sehr ko­ope­ra­tiv.« Sei­ne Wor­te wa­ren sehr auf­schluss­reich. »Ce­d­ric hat nicht viel auf dem Kas­ten. Der wird Mühe ha­ben, über­haupt zum Abi zu­ge­las­sen zu wer­den. Wenn er Pech hat, ver­geigt er das ers­te Halb­jahr, dann kann er sei­ne Zu­las­sung zur Prü­fung ver­ges­sen.«

Rebecca hör­te ih­rem neu­en Kol­le­gen auf­merk­sam zu, saug­te jede In­for­ma­ti­on, die sie er­hielt, ein.

»Und der Zwei­te?«, frag­te sie in­ter­es­siert nach, nach­dem Ro­bert nichts mehr über Ce­d­ric sag­te.

»Li­nus ist ein Jahr äl­ter als die an­de­ren. Er kam in der zehn­ten Klas­se an die Schu­le. Hat sei­nen Re­al­schul­ab­schluss in der Ta­sche und will jetzt das Ab­itur ma­chen. Ja …«, brach Ro­bert sei­nen Satz ab und kau­te am Reis her­um.

»Li­nus ist an­ders. Wirst du se­hen. Biss­chen schüch­tern, in sich ge­kehrt. Als er in der zehn­ten Klas­se zu uns stieß, war Ce­d­ric der­je­ni­ge, der ihn in die Au­ßen­sei­ter­rol­le ge­drängt hat.«

Wie­der beließ es Ro­bert bei An­deu­tun­gen, weil er auf­hör­te, wei­ter­zu­spre­chen. Statt­des­sen schob er sich das Ge­mü­se in den Mund.

»Lern’ sie erst mal ken­nen. Wir ha­ben in Klas­se 11 mit je­dem Schü­ler Ein­zel­ge­sprä­che ge­führt.«

»Wozu?«, woll­te Rebecca wis­sen.

»Wenn du als Tu­tor ar­bei­test, soll­test du dei­ne Schü­ler sehr ge­nau ken­nen. Du musst wis­sen, wo­mit sie Pro­ble­me ha­ben, was sie in ih­rer Frei­zeit ma­chen, wie sie an Haus­auf­ga­ben her­an­ge­hen, wie sie mit Stress um­ge­hen. Au­ßer­dem ist es gut zu wis­sen, was sie nach dem Abi ma­chen wol­len, um ih­nen die nö­ti­ge Mo­ti­va­ti­on zu ge­ben, an ih­rem Traum zu ar­bei­ten. Es schafft eine ganz an­de­re At­mo­sphä­re, wenn du dei­ne Schü­ler im Vor­feld ken­nen­lernst. Glaub mir, das ma­che ich schon seit vie­len Jah­ren so, wenn ich in der Ober­stu­fe ein­ge­setzt bin.«

Sol­che Er­kennt­nis­se wa­ren voll­kom­men neu für Rebecca. Ein­zel­ge­sprä­che. Aber so schloss sie von vorn­her­ein Pro­ble­me aus und stell­te einen per­sön­li­chen Draht zu den Schü­lern her.

»Nutz’ die Kurs­fahrt da­für«, durch­brach Ro­bert ihre Ge­dan­ken.

»Kann ich euch hel­fen? Ist noch was zu er­le­di­gen?«

»Eine Wo­che vor der Kurs­fahrt füh­ren wir einen El­tern­abend durch. Da soll­test du auf je­den Fall an­we­send sein. Be­rei­te ein­fach einen Zet­tel mit der Ein­la­dung vor, mehr brauchst du nicht zu tun. Auf dem El­tern­abend er­fährst du dann al­les über die Fahrt. Ach so, und wir wol­len dich dort na­tür­lich als neue Tu­to­rin vor­stel­len«, grins­te Ro­bert und kratz­te das Ge­mü­se von sei­nem Tel­ler.

Das hat­te Rebecca be­fürch­tet. Noch mehr Men­schen­mas­sen, die sie mus­ter­ten.

»War­um fah­ren wir ei­gent­lich so zei­tig im Schul­jahr?«, woll­te sie wis­sen. »Nor­ma­le­r­wei­se fin­den doch Klas­sen­fahr­ten im Früh­jahr und Som­mer statt, oder?«

»Ja, das stimmt. Die Ab­itu­ri­en­ten sol­len aber den Kopf frei ha­ben für die Prü­fun­gen, die im Früh­ling und Som­mer statt­fin­den. Da­her nut­zen wir den Be­ginn des Schul­jah­res zur Ab­schluss­fahrt. Au­ßer­dem be­kommt man leich­ter eine Un­ter­kunft, wenn man au­ßer­halb der Sai­son fährt.«

Ro­bert wisch­te sich den Mund ab und leg­te die Ser­vi­et­te bei­sei­te. Auch Rebecca war papp­satt. Vom Es­sen und von den In­fos.

Nach an­dert­halb Stun­den ver­lie­ßen Ro­bert und Rebecca mit vol­len Mä­gen das Re­stau­rant.

»Wir se­hen uns am Mon­tag!«, ver­ab­schie­de­te sich der neue Kol­le­ge fröh­lich und stie­fel­te in ent­ge­gen­ge­setz­ter Rich­tung nach Hau­se.

Rebeccas Woh­nung lag nicht weit ent­fernt von der Gast­stät­te und ih­rer neu­en Schu­le, so­dass sie lau­fen konn­te. Bei ih­rer al­ten Ar­beits­s­tät­te hat­te sie stets das Auto neh­men müs­sen. Wie prak­tisch, gleich in der Nach­bar­schaft zu woh­nen.

Die kom­men­den frei­en Tage nutz­te Rebecca, um akri­bisch die Stun­den vor­zu­be­rei­ten, die sie in der nächs­ten Wo­che er­war­ten wür­den. Sie hat­te an ih­rem ers­ten Tag einen de­tail­lier­ten Plan er­hal­ten, wie weit die schwan­ge­re Kol­le­gin mit ih­ren Lern­grup­pen ge­kom­men war. Ob­wohl ihr letz­ter Un­ter­richt ei­ni­ge Jah­re zu­rück­lag, konn­te sie die feh­len­den Lern­in­hal­te gut her­lei­ten.

Nach­dem Ro­bert ihr von den Schü­lern er­zählt hat­te, stu­dier­te Rebecca die Klas­sen- be­zie­hungs­wei­se Kurs­lis­ten. Den Leis­tungs­kurs in Klas­se 12, ih­ren Tu­tor­kurs, wür­de sie fünf­mal in der Wo­che zu Ge­sicht be­kom­men.

Sie über­flog die Na­men.

Nächs­te Wo­che wür­de sie wis­sen, mit wem sie es zu tun hat­te. Wenn sie wirk­lich Ein­zel­ge­sprä­che mit den Schü­lern füh­ren soll­te, war sie schon jetzt auf die letz­ten bei­den Na­men auf ih­rer Lis­te ge­spannt. Li­nus Voigt. ­Ce­d­ric Wei­se.

Kapitel 3

Am Sonn­tag­nach­mit­tag schäl­te sich Rebecca in ih­ren Jog­ging-Dress, be­vor sie das Haus ver­ließ. Sie trug ein ro­sa­fa­r­be­nes, bauch­frei­es Top und einen knap­pen schwa­r­zen Lauf­rock. Sie war mehr als stolz auf ihre schlan­ke Fi­gur, die sie mit re­gel­mä­ßi­gem Fit­ness­pro­gramm in Sha­pe hielt. Rebecca strich über den Stoff der Funk­ti­ons­klei­dung und dreh­te sich vor dem Spie­gel nach links und nach rechts, um ih­ren Kör­per zu be­trach­ten.

Die kleb­ri­ge Hit­ze, die sie an ih­rem ver­schwitz­ten Kör­per fühl­te, ge­fiel ihr gar nicht. Ge­nau­so we­nig wie der glü­hen­de As­phalt, der vom Kü­chen­fens­ter aus sicht­bar war. Die At­mo­sphä­re flim­mer­te durch­sich­tig und ver­schlei­er­te die Um­ge­bung. Und doch ent­schloss sich Rebecca dazu, lau­fen zu ge­hen, um nach der Un­ter­richts­vor­be­rei­tung den Kopf frei zu be­kom­men.

Im Stadt­park traf sie nur auf we­ni­ge Fa­mi­li­en mit Kin­dern. Ei­ni­ge der Klei­nen, die in Kin­der­wä­gen über den an­thra­zit­fa­r­be­nen Schot­ter ge­scho­ben wur­den, quen­gel­ten.

Ge­gen 14 Uhr hat­te sich die Hit­ze so­weit an­ge­staut, dass es nur noch ein Ven­til gab. Der Him­mel ver­fins­ter­te sich schlag­ar­tig wie auf ein Kom­man­do hin. Zu die­sem Zeit­punkt hat­te Rebecca noch gut die Hälf­te der Lauf­stre­cke vor sich. Ihre Fit­nes­s­arm­band­uhr zeig­te 3,6 ge­lau­fe­ne Ki­lo­me­ter an. Es groll­te be­reits und die dunk­le Wol­ken­front schob im­mer ener­gi­scher dunk­le Strei­fen über das Fir­ma­ment. Bald wür­de ein Ge­wit­ter mit Star­k­re­gen ein­set­zen.

Rebecca sporn­te sich zu mehr Tem­po an, jogg­te un­barm­her­zig an den Fa­mi­li­en und Pär­chen vor­bei, die wohl nicht das dro­hen­de Un­heil wit­ter­ten, son­dern sorg­los auf dem Geh­weg wei­ter ent­lang fla­nier­ten. Das Tem­po an­zu­zie­hen war nicht ein­fach, weil sich die Tem­pe­ra­tu­ren im­mer stär­ker in die Höhe schau­kel­ten und der Druck auf ih­ren Kör­per un­auf­halt­sam zu­nahm.

Bei­nah in letz­ter Se­kun­de er­reich­te sie das schüt­zen­de Dach ei­ner Bus­hal­te­stel­le, die sich un­weit ih­rer Woh­nung be­fand. Ers­te di­cke Trop­fen pras­sel­ten hin­ab. Völ­lig aus­ge­po­w­ert stütz­te sich Rebecca an der Glas­wand ab und sah zu, wie der Re­gen­guss den Geh­weg mit Pfüt­zen flu­te­te. Sie roch die vom Re­gen an­ge­feuch­te­te Erde und sah ver­zau­bert zu, wie der Schau­er nie­der­ging. Die Re­gel­mä­ßig­keit, mit der die Trop­fen zu Bo­den knall­ten, hyp­no­ti­sier­te Rebecca. Sie streck­te die Hand in den Guss aus und ge­noss die Ab­küh­lung, die ih­ren Arm über­zog.

Schwer keu­chend rang sie nach Luft, beug­te sich nach vorn und starr­te auf ih­ren schlan­ken Bauch, der sich gleich­mä­ßig hob und senk­te. Sie war schon lan­ge nicht mehr so aus der Pus­te ge­kom­men. Ihre Uhr zeig­te einen er­höh­ten Puls an, den sie so in der Art nicht von sich ge­wohnt war. Aber der Sport tat ihr gut. Mitt­ler­wei­le stell­te er den wich­tigs­ten Aus­gleich für stres­si­ge Tage dar. Nach der Tren­nung von ih­rem Part­ner vor drei Jah­ren hat­te sie sich im­mer öf­ter in die­se Ak­ti­vi­tät ge­flüch­tet und mein­te, in­zwi­schen eine pas­sa­ble Lang­stre­cken­läu­fe­rin ab­zu­ge­ben. Heu­te war es aber wohl doch ein we­nig zu schnell, vor al­lem zu viel ge­we­sen.

Nach ge­fühlt ei­ner Vier­tel­stun­de des War­tens zog die Re­gen­wand ab und Rebecca schlen­der­te ge­mäch­lich nach Hau­se, be­glei­tet von leich­tem Nie­sel­re­gen, der sich mit dem Schweiß ih­rer Haut ver­misch­te.

Als sie ins Trep­pen­haus ein­trat, um­fing sie eine an­ge­neh­me Küh­le, die ih­ren über­hitz­ten Kör­per her­un­ter­re­gu­lier­te. Sie sehn­te die kal­te Du­sche her­bei. Gleich nach dem Auf­schlie­ßen der Haus­tür ver­zog sie sich ins Bad, wo sie ih­ren Lauf­rock und das enge Top los­wur­de, be­vor sie sich un­ter die Du­sche stell­te und das küh­le Nass ge­noss. Sie hät­te jetzt gern einen Mann an ih­rer Sei­te ge­habt, der sie un­ter dem Was­ser­strahl in sei­nen star­ken Ar­men wieg­te, sei­ne Schwanz­spit­ze zwi­schen ihre Bei­ne schob und an des­sen Brust sie ih­ren Bu­sen pres­sen konn­te. Aber da war nie­mand.

Nackt lief sie ins Schlaf­zim­mer. Die Bett­de­cke lag noch zer­wühlt vom Mor­gen da. Rebecca leg­te sich seit­lich auf die Ma­trat­ze. Vom Nacht­tisch nahm sie einen Auf­le­ge­vi­bra­tor, der als Män­ne­rer­satz her­hal­ten muss­te, und leg­te ihn an ihre Kli­to­ris an. Mit der an­de­ren Hand rieb sie sanft über ihre lin­ke Brust­wa­r­ze, die sich un­ter der zar­ten Be­rüh­rung auf­rich­te­te. Ce­d­ric und Li­nus wa­ren also in ih­rem Tu­tor­kurs. Ce­d­ric, die Ver­su­chung und Li­nus, das Mys­te­ri­um.

Rebeccas Ge­dan­ken kreis­ten und fan­den kei­nen Halt. Die Er­re­gung muss­te zur Be­frie­di­gung wer­den. Da­her schal­te­te sie den Auf­le­ge­vi­bra­tor an und ließ ihre Fan­ta­sie Ach­ter­bahn fah­ren …

Schul­ball in ih­rer al­ten Schu­le. Schon den gan­zen Abend über be­ob­ach­tet sie die Ober­stu­fen­schü­ler da­bei, wie sie von Tisch zu Tisch ei­len, dar­auf be­dacht, die Gäs­te zu be­wir­ten.

Es herrscht eine aus­ge­las­se­ne Stim­mung im Foy­er der Schu­le, denn es wur­de kur­zer­hand zur Tanz­flä­che um­funk­tio­niert. Lau­te Acht­zi­ger­jah­re-Mu­sik dröhnt aus den Bo­xen.

Um die Tanz­flä­che her­um ste­hen Ti­sche, an de­nen sich die Be­su­cher un­ter­hal­ten. Im­mer wie­der hu­schen die Mäd­chen der Ab­schluss­klas­sen von ei­ner zur an­de­ren Ta­fel und neh­men Ge­trän­ke­be­stel­lun­gen auf. Die Jun­gen ha­ben sich An­zü­ge über­ge­wor­fen. Sie wir­ken da­mit wie Busi­ness­män­ner. Er­wach­sen, at­trak­tiv, ge­ra­de­zu ver­füh­re­risch.

Rebecca steht mit ei­nem Sekt­glas in der Hand am Rand der Tanz­flä­che und schaut da­bei zu, wie die Tanzwü­ti­gen über das Par­kett flie­gen. Ihr Blick schweift durch den Saal und bleibt auf Ce­d­ric und Li­nus hän­gen. Die Jungs lun­gern vor der Tanz­flä­che her­um und be­trach­ten ihre Mit­schü­le­rin­nen, die sich in ih­ren knap­pen Klei­dern und Rö­cken an ih­nen vor­bei­steh­len. Da­bei ver­fan­gen sich die Bli­cke der Jun­gen auf den knacki­gen Hin­tern der Mä­dels.

Per­ma­nent flüs­tert Ce­d­ric sei­nem Freund et­was ins Ohr und lä­chelt da­bei schlüpf­rig. Er streicht sich mit der Hand­flä­che ein paar blon­de Sträh­nen, die in sein Ge­sicht ra­gen, aus der Stirn.

Ohne Vor­war­nung fi­xie­ren sei­ne Au­gen Rebecca und wie­der zeich­net sich ein schur­ki­scher Zug auf sei­nem Ge­sicht ab. Sein Blick tas­tet ih­ren Kör­per ab. Hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand tu­schelt er Li­nus et­was ins Ohr. Ir­gend­wie schmei­chelt es Rebeccas Ego, ihre Auf­merk­sam­keit auf sich ge­zo­gen zu ha­ben. An­de­rer­seits ist ihr die Mus­te­rung durch ihre Schü­ler un­an­ge­nehm. Wol­len sie sich über sie lus­tig ma­chen?

Rebecca stellt das Glas auf dem Tisch ab und blickt ein letz­tes Mal ver­stoh­len in Rich­tung der Ju­gend­li­chen, be­vor sie sich aus dem Schul­ge­bäu­de hin­aus be­gibt. So­fort schlägt ihr die un­ver­brauch­te Abend­luft ent­ge­gen. Da sie ih­ren Ge­dan­ken nach­hän­gen und al­lein sein möch­te, fla­niert sie über den dunk­len Schul­hof. Wäh­rend hier sonst aus­ge­las­se­ner Kin­der­lärm zu hö­ren ist, legt sich in ei­ner Nacht wie heu­te eine wohl­tu­en­de Ruhe über die Wie­se.

Nach­dem sie die ho­hen Schu­he aus­ge­zo­gen hat, be­netzt das feuch­te Gras ihre Füße.

Je klei­ner der Ein­gang des Schul­ge­bäu­des wird und je we­ni­ger Licht zu ihr vor­dringt, des­to mehr wird sie von der Dun­kel­heit ver­schluckt. Ein­zel­ne Ster­ne fun­keln am Nacht­him­mel. Das schwa­che Licht des Halb­monds fällt punk­tu­ell auf die Bu­chen, die den Schul­hof über­ra­gen.

Wäh­rend sie ge­dan­ken­ver­lo­ren über die Wie­se schlen­dert und das Ge­läch­ter so­wie die Mu­sik aus dem Schul­haus kaum noch ihr Ohr er­rei­chen, be­merkt sie et­was Selt­sa­mes hin­ter sich. Ein Ra­scheln im Gras. Die Schrit­te ver­ra­ten, dass es zwei Men­schen sein müs­sen. Un­heim­lich.

Rebecca ver­schränkt die Arme vor der Brust und schließt den Bla­zer en­ger um ih­ren Kör­per. Ein zö­ger­li­ches Um­dre­hen. Sie er­kennt die schlan­ken Um­ris­se von Ce­d­ric und Li­nus. Mit je­dem Schritt ver­rin­gern sie den Ab­stand.

Als Rebecca ste­hen bleibt, um die Heels an­zu­zie­hen, wird sie von bei­den ein­ge­holt. Da die Lich­ter im Schul­ge­bäu­de nur sche­men­haft aus­zu­ma­chen sind, kann sie nie­mand hier be­ob­ach­ten.

Die Zwölft­kläss­ler blei­ben ste­hen und schau­en zu, wie sie um­ständ­lich in die eng sit­zen­den Schu­he schlüpft. »Kön­nen wir Ih­nen hel­fen, Frau Pe­ters?«, fragt Li­nus für­sorg­lich.

Ohne auf sei­nen Kom­men­tar ein­zu­ge­hen, fragt sie: »Was wollt ihr, Jungs?«

»Ein biss­chen fri­sche Luft schnap­pen«, ant­wor­tet ­Ce­d­ric. »Und was ma­chen Sie hier drau­ßen?«

»Fri­sche Luft schnap­pen.«

Ein Lä­cheln um­rahmt sei­nen Mund.

»Müsst ihr nicht im Schul­haus sein und die Gäs­te be­wir­ten? Also wenn ich eure Tu­to­rin wäre, wür­de ich euch flin­ke Bei­ne ma­chen, dar­auf könnt ihr wet­ten!«

»Und wie wür­den Sie das an­stel­len, Frau Pe­ters?« Ist Ce­d­ric etwa so ein ver­damm­ter Till Eu­len­spie­gel, der al­les wort­wört­lich ver­steht? Auf sei­ne Fra­ge hin zieht sie die Stirn in Fal­ten und ver­engt die Au­gen. Was bil­det sich die­ser über­heb­li­che Kerl ein? Sie ein­fach so zu ne­cken!

Rebecca will sich ge­ra­de um­dre­hen und dem Um­feld die­ser Halb­star­ken ent­kom­men, da er­greift Ce­d­ric ihr Hand­ge­lenk. Sie fährt in­ner­lich zu­sam­men und schluckt am di­cken Kloß vor­bei, der ihre Keh­le spannt. Mit ei­nem star­ren Blick quit­tiert sie sei­ne un­pas­sen­de Aus­sa­ge, doch er setzt noch einen drauf: »Zei­gen Sie uns, wie sie uns Bei­ne ma­chen wür­den!« Die Selbst­herr­lich­keit, die in sei­nen Au­gen auf­blitzt, ist nicht zum Aus­hal­ten. Noch im­mer um­fasst er ihr Hand­ge­lenk, wäh­rend Li­nus da­ne­ben­steht und nicht weiß, ob er sei­nen Freund stop­pen oder ab­war­ten soll.

Ce­d­rics Hän­de­druck drückt sich in Rebeccas Fleisch.

»Was soll das?« Der Griff um ihr Hand­ge­lenk lo­ckert sich. Dann gibt Ce­d­ric sie frei; aber nicht, ohne da­bei doof zu grin­sen.

»Du müss­test über das Knie ge­legt wer­den«, knurrt Rebecca, al­ler­dings mehr zu sich selbst. Un­fass­bar, dass sie sich von ihm pro­vo­zie­ren lässt. Na war­te, Freund­chen!

Wie­der dreht sie sich zum Ge­hen weg, da wird sie er­neut grob am Hand­ge­lenk an­ge­fasst. Ob er ih­ren fins­te­ren Blick be­merkt, den sie ihm wie einen Gift­pfeil ent­ge­gen­schleu­dert?

»Wol­len Sie mich wirk­lich übers Knie le­gen? Ich wüss­te zu gern, wie sich das an­fühlt«, gibt er zu­rück, feixt teuf­lisch und lässt Rebecca los.

Wie­der geht sie we­ni­ge Me­ter, doch die bei­den ho­len sie schnel­ler ein, als ihr lieb ist. Of­fen­bar ge­fällt sich Ce­d­ric dar­in, sie bis aufs Blut zu rei­zen.

Lang­sam fin­det sie al­ler­dings Ge­fal­len dar­an, das be­gon­ne­ne Spiel­chen fort­zu­set­zen. Wer weiß, wie weit ihn sein ju­gend­li­cher Leicht­sinn treibt.

Über dem Ge­spräch be­merkt Rebecca nicht, wie weit sie sich vom Schul­haus ent­fernt ha­ben. Stän­dig woll­te sie ih­ren Schü­lern aus­wei­chen, ist aber nur tie­fer in die düs­te­ren Ecken des Ge­bäu­des ge­ra­ten. An ei­ner Wand, die rechts und links durch Sträu­cher ver­deckt wird, hal­ten sie an.

»Zei­gen Sie uns jetzt, wie Sie mich über das Knie le­gen?«, greift Ce­d­ric den ro­ten Fa­den wie­der auf.

»Ts«, ent­fährt es ihr pi­kiert. »Ver­ra­tet ihr mir im Ge­gen­zug, war­um ihr mir ge­folgt seid?«

Wie zwei mys­te­ri­öse Ge­stal­ten po­si­tio­nie­ren sich die Schü­ler ihr ge­gen­über und sie kann gar nicht so schnell re­a­gie­ren, wie sie von Ce­d­ric ge­gen das Ge­mäu­er ge­drückt wird, wo sie hart auf­trifft. So­fort ar­bei­tet sich die Käl­te an ih­rem Rü­ck­grat hoch. Sein Ge­sicht schwebt schat­ten­haft nah vor ih­rem und sie fängt wie­der die­ses selbst­ge­fäl­li­ge Lä­cheln ein. Li­nus steht wie ein bö­ser Dä­mon hin­ter ihm und wirkt auf­grund der Fins­ter­nis voll­kom­men in Schwa­rz gehüllt.

Ce­d­ric nä­hert sich ver­lo­ckend Rebeccas Ge­sicht. Wie eine Fe­der kit­zeln sei­ne Lip­pen über ih­ren Mund, wäh­rend sei­ne Au­gen sie fo­kus­sie­ren und sie ge­bannt dar­auf war­tet, wo­mit er wei­ter­macht.

Mit der Hand­flä­che fährt er an ih­rer Wan­ge ent­lang, dann Rich­tung Schlä­fe und Ohr. Er er­weckt den Ein­druck, mit sei­nen Au­gen durch sie hin­durch­se­hen zu wol­len. Die Düs­ter­nis, die ihn um­gibt, ver­leiht ihm et­was Mys­ti­sches, das sie nicht er­grün­den kann.

»Wol­len Sie nicht viel­mehr«, flüs­tert er nah an Rebeccas Ge­sicht in ihr Ohr, »lieb sein, an­statt mich be­stra­fen zu wol­len?«

Kommt gar nicht in­fra­ge! Sie ver­sucht sich aus sei­nem drän­gen­den Zu­griff zu be­frei­en, wird je­doch an der Schul­ter er­neut ge­gen die Wand ge­presst. Mit ge­wei­te­ten Au­gen und schwer at­mend, spürt sie, wie sich die Käl­te ih­res Rü­ckens be­mäch­tigt.

Was ist mit die­sem Bur­schen los? Hat er sie eben noch ge­gen die Mau­er ge­sto­ßen, strei­chelt er nun zärt­lich über ih­ren Arm. Wie­so hält er nicht inne, mit den Fin­gern von ih­rem Hals aus zu­erst ihr Kinn und da­nach die Lip­pen nach­zu­zeich­nen?

Rebecca ver­steht nicht, wor­auf das Gan­ze hin­aus­lau­fen soll. Noch ge­heim­nis­vol­ler er­scheint Li­nus, der sie le­dig­lich an­blickt und erst, als Ce­d­ric sie an der Wan­ge be­rührt, sei­ne Fin­ger über ih­ren Arm wan­dern lässt. Sie ver­gisst un­ter den sanf­ten Be­rüh­run­gen schlicht­weg, wie Ce­d­ric sie vor­hin zur Weiß­glut ge­bracht hat, weil ihre Sin­ne auf ein­mal hell­wach sind.

Über­all sind Hän­de, die auf Er­kun­dungs­tour ge­hen. Ei­ner von bei­den schiebt ihr den Bla­zer über die Schul­tern und lässt ihn un­be­dacht zu Bo­den sin­ken.

Weil der Mo­ment ge­ra­de so bi­zarr ist, fühlt sie sich be­täubt und ver­harrt reg­los am Fleck. Ihre Hän­de pres­sen sich ge­gen die Hüf­te und sie wagt nicht, Ce­d­ric ir­gend­wo zu tan­gie­ren. Sein un­durch­dring­li­ches Ge­sicht schwebt so dicht vor ih­rem, dass Rebecca ein her­bes Pa­r­fum in die Nase steigt und sei­ne Lip­pen jede Se­kun­de auf die von ihr tref­fen wer­den.

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